Digitalisierung - Was steckt dahinter?
„Digitalisierung ist weder ein Hexenwerk noch ein Schreckgespenst – es ist vielmehr eine große Chance, neue Geschäftspotentiale zu entfalten." Das sagt Digitalisierungsexperte Peter Feldmeier. Wir blicken auch auf die einzenen Digitalisierungs-Stufen.
Kultur & Technologie
„Digitalisierung ist weder ein Hexenwerk noch ein Schreckgespenst – es ist vielmehr eine große Chance, neue Geschäftspotentiale zu entfalten“, machte Peter Feldmeier den zahlreichen Teilnehmern des Business Future Day 2019 Mut. Als Partner bei der etventure GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen im Bereich der Digitalisierung in Deutschland, war er einer der Referenten der Veranstaltung der IHK Niederbayern:
Gefragt nach den Erfolgsfaktoren für den digitalen Wandel, stellte er klar „Schnelligkeit und Nutzerzentrierung“ als die zentralen Fähigkeiten in den Vordergrund.
Dr. Peter Kreuz, Mitgründer von „Rebels at work“ und ebenfalls auf Einladung der IHK Niederbayern als Referent beim Business Future Day 2019 aktiv, antwortete auf die Frage nach den Erfolg bringenden Eigenschaften mit einem etwas überraschenden, aber umso eindeutigeren Statement: „Kultur isst Technologie zum Frühstück!“
Beide Experten plädieren somit beim Thema Digitalisierung dafür, die gesamte Belegschaft des Unternehmens „mitzunehmen“ und vor allem Initiative, Kreativität und Leidenschaft der Mitarbeiter zu fördern. Der digitale Wandel bringt also einerseits eine veränderte Unternehmenskultur mit sich. Andererseits können natürlich nur durch innovative Prozesse und Technologien Digitalisierungsvorhaben umgesetzt und digitale Geschäftsmodelle entwickelt werden. Zusammengefasst gilt deshalb: „Der digitale Wandel kann nur mit einem ganzheitlichen Anpacken gelingen – Nutzerzentrierung ist das Gebot der Stunde!“
Prozesse, Produkte & Services
Unternehmen entwickeln sich im Laufe ihrer Geschichte weiter. Interne Prozesse werden verbessert, innovative Produkte hergestellt, ergänzende Services etabliert und mit neuen Geschäftsmodellen alternative Märkte bedient. Diese Entwicklungen werden seit den ersten Ansätzen und Initiativen der Digitalisierung noch beschleunigt. Der digitale Wandel ist mittlerweile ein zentraler Treiber von Weiterentwicklungen, wobei sich die Ausprägungen in den einzelnen Wirtschaftsbereichen zum Teil stark unterscheiden. Häufig sind aber die nachfolgenden Digitalisierungs-Stufen zu beobachten:
„Man wächst mit seinen Aufgaben!“ Diese Redewendung gilt für viele verschiedene Beispiele – und kann auch auf Unternehmen angewendet werden. So ist beispielsweise bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), vor allem auch bei Firmen mit langer Tradition, oft zu beobachten, dass die Unternehmensstrukturen und -prozesse nicht immer einem zielgerichteten Wachstum gefolgt sind. Vielmehr bildeten sich die organisatorischen Abläufe als kurzfristige Reaktion auf externe Einflüsse.
Eine ähnliche Problematik kann zudem bei Start-ups vorliegen. Diesen stehen – im Gegensatz zu großen Konzernen – bei schnellem Erfolg in der Regel ebenfalls nicht ad hoc alle notwendigen Ressourcen und organisatorischen Strukturen zur Verfügung.
- Wichtig ist es in diesem Stadium zunächst, Klarheit über das derzeit bestehende Geschäftsmodell sowie die unternehmenseigenen Kernkompetenzen zu haben und die USPs (Unique Selling Propositions / Alleinstellungsmerkmale) in Richtung Kunden kommunizieren zu können. Sowohl für eine analoge Optimierung als auch für Digitalisierungsprojekte sollten außerdem die internen sowie in Richtung der externen Lieferanten und Kunden vorliegenden Pain Points, also die Schmerz- oder Problempunkte, bekannt sein. Auf dieser Basis kann eine strategische Unternehmensentwicklung angestoßen werden.
Um die aus den gewachsenen Strukturen entstandenen unternehmensinternen Pain Points abstellen zu können, greifen viele Unternehmen auf zielgerichtete Optimierungsmaßnahmen zurück. Dabei können verschiedene Ansätze für die internen Prozessoptimierungen verwendet werden. Eine weit verbreitete Herangehensweise – mit wiederum verschiedenen Ausprägungen, je nach betrachteter Organisationseinheit – stellt etwa der Lean-Ansatz (Lean Production, Lean Management, Lean Development) dar. Wesentliches Ziel von Lean ist es, die Komplexität der Abläufe möglichst gering zu halten. Dadurch soll „Verschwendung“ vermieden und die Fehleranfälligkeit verringert werden.
Neben diesen Maßnahmenpaketen, die in der Hauptsache auf interne Prozesse der operativen Geschäftsabwicklung abzielen, kann die Etablierung eines Strategieentwicklungsprozesses ebenfalls zu den zielführenden Optimierungsmaßnahmen gezählt werden. In der Regel werden dabei auch externe Konkurrenten und Partner, Beziehungen zu Lieferanten und Kunden sowie etwaige Marktentwicklungen berücksichtigt. Zentral sind zudem weitere Fragestellungen – beispielsweise rund um das Thema Strategieumsetzung im Unternehmen oder der strategische Umgang mit externen Schocks (unerwartete positive oder negative Ereignissen / Entwicklungen im wirtschaftlichen Umfeld).
Die Digitalisierung birgt ein großes Potenzial im Optimierungsbereich. Im Fokus stehen in diesem Zusammenhang etwa die operativen Prozesse und die strategische Unternehmensentwicklung.
So können durch neue technische Möglichkeiten beispielsweise große Datenmengen erhoben und ausgewertet werden. Die daraus generierten und wegen der breiten Basis zudem aussagekräftigen Kennzahlen können die Qualität von Strategieentscheidungen, wie z.B. eine marktorientierte Unternehmensausrichtung, verbessern.
Darüber hinaus können digitale Technologien die alltäglichen Unternehmensabläufe weiter vereinfachen und die Fehleranfälligkeit in der Wertschöpfungskette sowie in der gesamten Supply Chain verringern. Als Grund dafür kann etwa die Passgenauigkeit der notwendigen Auftragsdaten genannt werden – mit digitalen Möglichkeiten können sie an jeder einzelnen Bedarfsstelle zur richtigen Zeit in der notwendigen Darstellung zur Verfügung gestellt werden.
Dennoch ist es empfehlenswert, vor dem Beginn von Projekten zur Prozessdigitalisierung zunächst konventionelle Methoden, wie beispielsweise Wertstromanalysen, zur Optimierung anzuwenden. So können die Ergebnisse der Optimierungsmaßnahmen als Grundlage für die digitale Abbildung der Prozesse dienen. Dabei sollte die Bekanntheit der wesentlichen Prozessstör- und -zielgrößen die Projektrisiken erkennbar minimieren, da die Komplexität nicht durch viele Unbekannte zusätzlich erhöht wird. Aufgrund der dadurch möglichen Reduzierung von Anlaufproblemen bei der Einführung der digitalen Unterstützung kann außerdem indirekt die Akzeptanz der Belegschaft bezüglich der Digitalisierungsmaßnahmen gesteigert werden.
Im Vergleich zu den zielgerichteten Optimierungsmaßnahmen, zur internen Prozessdigitalisierung sowie zur Schnittstellendigitalisierung zu externen Lieferanten und Kunden greift das Verständnis der digitalen Transformation deutlich weiter.
So bieten digitale Technologien verschiedene Möglichkeiten, das bestehende Geschäftsmodell etwa um digitale Services zu bestimmten Produkten zu erweitern. Trotz der steigenden Bedeutung der digitalen Produkte und Services wird das Kerngeschäft nicht komplett ersetzt. Vielmehr wird es zur Schaffung eines individuellen Mehrwerts für die jeweiligen Kunden ergänzt.
Dabei können Prozessoptimierungen und die Digitalisierung von Prozessen als Ausgangspunkt und Datenbasis für verschiedene Zusatzservices genutzt werden. Beispielsweise können Kunden durch die Verarbeitung der intern gewonnen Daten aus der laufenden Produktion und Logistik (Stichwort: digitaler Zwilling) nahezu in Echtzeit über den aktuellen Stand und den genauen Liefertermin informiert werden. Dies erhöht die kundenseitige Planungssicherheit und schafft somit einen Mehrwert.
Ein weiteres Beispiel für die zunehmende digitale Transformation stellen Onlineshops dar. Ohne zwingend das Standort gestützte Ladengeschäft aufgeben zu müssen, ergeben sich mit den digitalen Technologien weitere Kontaktmöglichkeiten zum Kunden. Auch generiert die zusätzliche Informationsplattform wiederum einen Kundenmehrwert. Die Corona-Pandemie hat gerade in diesem Bereich die Vorteile der Digitalisierung mehr als deutlich aufgezeigt.
Unter der digitalen Disruption sind – im Gegensatz zur digitalen Transformation – auf Basis der neuen technologischen Möglichkeiten entwickelte Geschäftsmodelle zu verstehen, die Ihr bestehendes Kerngeschäft nicht nur erweitern, sondern es direkt angreifen und in letzter Konsequenz ersetzen können. Dabei sind in der Regel nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Branchen betroffen.
Ein zwar bereits älteres, aber umso bekannteres Beispiel stellt die Entwicklung der Digitalkamera dar. Durch diese Technologieveränderung wurde die klassische Kamera nahezu vollständig ersetzt. Außerdem wird an diesem Beispiel deutlich, dass von derartigen Einschnitten auch weitere Serviceanbieter – in diesem Fall die Anbieter der Dienstleistung „Film entwickeln“ – vor große Herausforderungen gestellt werden können.
Bei der Entwicklung und Umsetzung von disruptiven Geschäftsmodellen sind im Übrigen häufig Start-ups maßgeblich beteiligt. Grund ist, dass dort der Fokus stark auf das Time-to-Market-Kriterium (Stichwort: Lean Start-up) der zugrundeliegenden digitalen Geschäftsidee gelegt werden muss. Bezug nehmend darauf kann eine Zusammenarbeit von Corporates mit Start-ups gewinnbringend für beide Partner sein – wenngleich in diesem Zusammenhang noch verschiedene andere Fragestellungen zu berücksichtigen sind.
„Nichts ist so beständig wie der Wandel!“ Dieses Zitat wird dem vor etwa 2.500 Jahren wirkenden griechischen Philosophen Heraklit zugeschrieben. Seine Aktualität hat der Ausspruch aber bis heute nicht verloren – im Gegenteil. Besonders die in Teilen rasante Geschwindigkeit der digitalen Entwicklungen – zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) – macht deutlich, dass Innovationszyklen immer kürzer werden und damit einhergehend neue Produkte immer schneller bei den Kunden ankommen.
Daher wird schon heute von allen Wirtschaftsakteuren eine hohe Agilität eingefordert. Dies betrifft sowohl einzelne Personen der Fach- und Führungsebenen als auch die jeweiligen Unternehmen als Ganzes.
Darüber hinaus gewinnt das Erkennen von relevanten Entwicklungen bei Kunden, Wettbewerbern und Partnern stetig an Bedeutung. Die für die eigene Firma wichtigen technologischen oder organisatorischen Trends sollten dabei strategisch bewertet werden, um darauf zeitnah und passgenau reagieren oder selbst zum proaktiven Wettbewerber werden zu können.
In jedem Fall wird es für alle Marktbeteiligten – sowohl mit als auch ohne eigenständig entwickelten Produkten und Services – immer wichtiger, schnell, flexibel und innovativ handeln zu können. Von großer Bedeutung ist neben dem agilen Mindset außerdem, zukünftig noch stärker den individuellen Kundenwunsch befriedigen zu können und mit zukunftsorientierten (digitalen) Produkten und Services einen Mehrwert für die jeweiligen Käufer generieren zu können – Stichwort: Nutzerzentrierung!